Gedanken zum Volkstrauertag 2024

19.11.2024


Liebe Staudter, am 17.11.2024 fand auf dem Staudter Friedhof die gemeindliche Veranstaltung zum diesjährigen Volktrauertag statt. Der MGV Staudt, die Freiwillige Feuerwehr Staudt sowie der Musikverein Heiligenroth haben diese Veranstaltung begleitet. Ich danke allen, die diese Veranstaltung besucht und unterstützt haben.

Die folgenden Gedanken wurden unter anderem im Rahmen der Veranstaltung vorgetragen.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Staudter, sehr geehrte Gäste,

wir stehen heute zusammen, um der Opfer von Krieg und Gewalt zu gedenken - all jener Menschen, die durch sinnlose Konflikte und durch Hass und Intoleranz ihr Leben verloren haben. Der Volkstrauertag ist ein Tag der Erinnerung, aber auch ein Tag der Mahnung. Wir erinnern uns heute an das Leid der Vergangenheit und spüren zudem quasi täglich in den Nachrichten die Verantwortung für eine friedliche Zukunft.

Unser Gedenken ist dabei kein einfaches Innehalten. Es ist eine Aufforderung an uns alle, daran zu arbeiten, dass die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederkehren und aktuelle Konflikte zu einem Ende finden. Es ist der Aufruf uns täglich in unserem Miteinander und darüber hinaus, in unserem Engagement für ein friedliches Zusammenleben der Menschen einzusetzen.

Nicht nur unsere deutsche Geschichte hat uns gelehrt, dass Kriege und auch alltägliche gewalttätige Konflikte niemals Gewinner kennen - Es gibt stets nur Verlierer und dies immer auf allen Seiten.

Dies gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart. Die Konflikte im „Nahen Osten“, insbesondere zwischen Israelis und Palästinensern, und der Krieg in der Ukraine führen uns das Leid der Menschen vor Augen und zeigen uns, wie wichtig es ist, den Wert des Friedens zu schützen und zu fördern.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist geprägt von tiefem Leid auf allen Seiten. Die jahrzehntelangen Spannungen, die unzähligen Verluste, sind eine bittere Erinnerung daran, wie schwer eine Versöhnung manchmal fällt und wie schwierig der Weg des Dialogs sein kann.

Doch gerade deshalb müssen wir uns für friedliche Lösungen stark machen - für den Dialog und vor allem für das Recht aller Menschen, unversehrt in Sicherheit und Würde leben zu können. Dies gilt als zentrales Menschenrecht für alle Menschen - gleich welcher Herkunft, gleich welchen Glaubens. Der Weg zur Versöhnung mag lang und schmerzhaft sein, aber wir dürfen ihn nicht aufgeben. Er ist die einzige Möglichkeit, eine Zukunft zu gestalten, die frei ist von Gewalt und Hass.

Für diesen Weg stehen die Deutsch-Palästinenserin Jouanna Hassoun und der Deutsch-Jude Shai Hoffmann. In Ihrem Buch „Trialogie“ und dem gleichnamigen Projekt, in dem beide zusammen mit Schülerinnen und Schülern arbeiten beschreiben sie eindrucksvoll, dass es in diesem Konflikt nicht „die Schuldigen, die Wahrheit oder auch die Opfer und Täter“ gibt. Sie werben dafür, dass ein Miteinanderreden möglich ist, und motivieren Schülerinnen und Schüler in diese Gespräche einzusteigen. Eine wichtige Botschaft insbesondere auch für unser Zusammenleben hier in Deutschland, in dem immer stärkere Zuspitzungen und Schuldzuweisungen, in Bezug auf den Nahostkonflikt, oft scheinbar unversöhnlich auch auf „unseren Straßen“ ausgetragen werden.

Auch der Krieg in der Ukraine, der mitten in Europa schmerzhafte Wunden schlägt, zeigt uns, seit nunmehr zwei Jahren wie zerbrechlich der Frieden sein kann und wie schnell das Fundament der Gemeinschaft erschüttert werden kann. Dieser Konflikt fordert uns heraus, Solidarität zu zeigen und jene zu unterstützen, die unter den grausamen Folgen leiden. Die Gewalt hat unzählige Menschen entwurzelt, Familien zerstört und Leben ausgelöscht. Es ist unsere Pflicht, an der Seite der Opfer zu stehen und uns für das Recht auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen.

Diese aktuellen Krisen stellen uns zudem dauerhaft vor die wichtige Aufgabe, geflüchtete Menschen bei uns aufzunehmen. In ihrer Not suchen sie Schutz und die Chance auf ein Leben in Frieden und Sicherheit - etwas, das für uns selbstverständlich erscheint, aber für viele von ihnen nur ein unerfüllbarer Wunsch ist.

Deutschland hat eine besondere historische Verantwortung: Aus unserer eigenen Geschichte wissen wir, wie schmerzhaft Verfolgung und Flucht sind und wie viel Kraft es braucht, nach solchem Leid neue Wurzeln zu schlagen.

Wir haben uns als Land des Schutzes, der Offenheit und der Versöhnung positioniert, und das aus gutem Grund. Offenheit für Geflüchtete ist mehr als nur eine humanitäre Geste - sie ist eine Bestätigung der Werte, die unsere Gesellschaft prägen. Wenn wir uns für den Schutz dieser Menschen einsetzen, verteidigen wir zugleich die Ideale von Mitmenschlichkeit, Toleranz und Frieden, als Grundlage der Menschenrechte und auch unseres Grundgesetzes, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen.

Deshalb ist der Volkstrauertag auch ein Tag der Versöhnung. Wir ehren nicht nur die Toten, sondern wollen das Zusammenleben in den Mittelpunkt stellen - das friedliche Miteinander, den Dialog zwischen den Völkern und den Austausch auf lokaler Ebene, auch hier bei uns in Staudt.

Versöhnung ist keine abstrakte Idee; sie beginnt im Kleinen, hier in unserer Gemeinde. Sie wird lebendig, wenn wir offen aufeinander zugehen, wenn wir einander zuhören und unsere Hände ausstrecken – ungeachtet von Herkunft, Religion oder Überzeugungen. Versöhnung bedeutet auch, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Sie ist eine Brücke, die uns eine gemeinsame Zukunft eröffnet. Wenn wir hier in Staudt diese Brücke der Verständigung und des Austauschs jeden Tag aufs Neue betreten, leisten wir einen Beitrag zum Frieden - und zum Gedenken an die, die ihn nicht erleben dürfen.

Heute gedenken wir der Toten und stehen ein für das Leben. Wir stehen ein für eine Zukunft, in der der Austausch und die Versöhnung an oberster Stelle stehen. Lassen Sie uns diesen Tag als Mahnung und als Auftrag verstehen - als Auftrag für den Frieden in unserer Welt, in unserem Land und in unserem Ort.

Vielen Dank.

Sven Normann, Ortsbürgermeister

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